Purchase-to-Pay Prozesse optimieren

mit Process Mining

Der Purchase-to-Pay-Prozess in einem Unternehmen bezieht sich auf den Beschaffungsprozess. Er umfasst unter anderem das Anfragen einer Bestellung, das Auslösen einer Bestellung, deren Erhalt sowie die schlussendliche Bezahlung der bestellten Leistungen bzw. der Auslieferung der bezogenen Waren. Da dieser Prozess in Krankenhäusern besonders komplex ist, finden sich meist enorme Standardisierungs- und Optimierungspotentiale. Für die Analyse von derart komplexen Prozessen bietet sich die Methode des Process Mining an, um das unübersichtliche Prozessgeflecht zu durchdringen, zu untersuchen und schlussendlich zu optimieren. Dr. Rami-Habib Eid-Sabbagh erläutert die Problemfelder im Einkaufsprozess und beschreibt die Möglichkeit, durch die Process Mining-Lösung in Kooperation von TIP HCe und Lana Labs die Prozesse nachhaltig zu verbessern.

Abweichungen im Einkaufsprozess haben wie nur wenige Abweichungen in anderen Geschäftsbereichen direkte Auswirkungen auf die Finanzen des Unternehmens. Somit sind Komplikationen im Einkauf immer heikel und bergen enorme Einsparpotentiale. Im Folgenden werden typische Herausforderungen und Einsparungspotenziale dargestellt.

Ressourcenverbrauch durch Nacharbeit
Der P2P-Prozess hat in der Theorie klare Aktivitätsabfolgen: Ein Auftrag wird vergeben, die Rechnung wird erhalten, dokumentiert und beglichen. In der Praxis läuft der Prozess jedoch nicht immer so geradlinig ab und ist ein komplexes Geflecht aus Prozessaktivitäten. Beispielsweise wird ein Auftrag nach Vergabe noch einmal angepasst, eine Rechnung wird geändert, sie wird zu spät versendet oder es gibt Unstimmigkeiten in der Bezahlung.

All diese Punkte verzögern den Prozess und benötigen zusätzliche Ressourcen in Form von Zeit, Geld und Arbeitsaufwand. Darüber hinaus gibt es Fragestellungen wie: Werden Rechnungen eines spezifischen Lieferanten häufig im Nachhinein angeglichen? Gibt es eine konkrete Auftragskategorie, in der regelmäßige Probleme bei der Bezahlung entstehen? Mit herkömmlichen Methoden ist es schwierig, diesen Prozessabweichungen auf den Grund zu gehen und Antworten auf solche spezifischen Fragestellungen zu finden.

Maverick Buying
Unter Maverick Buying versteht man den Einkauf von Waren oder Dienstleistungen ohne oder mit nur geringer Einbeziehung der Einkaufsabteilung. Dadurch entsteht eine große Bandbreite an Abweichungen vom Standardeinkaufsprozess. Diese sind zum Beispiel die Beschaffung von Waren und Dienstleistungen gänzlich an der Einkaufsabteilung vorbei und daraus resultierende Compliance-Verstöße oder die Beschaffung von nicht genehmigten oder den internen Einkaufsanforderungen nicht entsprechenden Waren und Dienstleistungen. Außerdem zählt dazu die Beschaffung von Waren oder Dienstleistungen von nicht genehmigten oder nicht vertrauenswürdigen Anbietern, wodurch es auch zum Verlust von Rabattierungen von Partner- und Vertragshändlern kommt.
Was wie eine seltene Ausnahme klingt, kommt in der Realität in so gut wie jeder Organisation vor. Umso wichtiger ist es daher, diese Probleme frühzeitig zu erkennen und zu optimieren.

Verstrichene Skontofristen
Skontofristen sind jeder Einkaufsabteilung ein Begriff. Durch Verzögerungen im Prozessablauf verstreichen diese Fristen oftmals unbemerkt und das mögliche Einsparpotential kann nicht ausgenutzt werden. Die Gründe dafür können vielfältig sein, von Engpässen in der Rechnungsabteilung bis hin zu fehlerhaft ausgestellten Rechnungen.

Die Konsequenz ist jedoch stets die gleiche: Verschenktes Sparpotential. Was für einzelne Aufträge noch unbedeutend wirken mag, häuft sich jedoch über ein Quartal oder das ganze Jahr immer weiter an. Ohne systematischen Überblick über diese Kennzahlen und konkreten Prozessabläufe fallen solche Probleme jedoch nur selten auf.

Process Mining als Wegweiser für die Einkaufsoptimierung
Die Optimierung des Einkaufsprozesses war aufgrund der hohen Prozesskomplexität bis vor kurzem ein zeitaufwendiges Unterfangen. Schon der erste Schritt für ein solches Vorhaben war enorm aufwendig. Manuell mussten alle Prozessvarianten und -kennzahlen identifiziert und dokumentiert werden. Erst darauf aufbauend konnten die Prozesse analysiert und optimiert werden. Traten bereits in der ersten Phase Fehler auf, beispielsweise wenn Varianten nicht aufgenommen wurden, fanden sie sich in der Regel in nicht passenden Optimierungsmaßnahmen wieder. So wurden Prozessprobleme verschoben statt gelöst.

Process Mining-Lösungen, wie die von TIP HCe und Lana Labs entwickelte, bieten hier effiziente und einfache Abhilfe, um alle gelebten Prozessvarianten und verfügbaren Kennzahlen zu aggregieren, zu visualisieren und folglich zu analysieren. Manuelle Zeiterfassung und Auswertung gehört der Vergangenheit an. Die in den IT-Systemen gespeicherten Daten zu Prozessabläufen werden automatisiert in das TIP HCe Data Warehouse übernommen und einzelnen analysierbaren Vorgängen zugeordnet. Auf Basis dieser Zeitstempel und Kennzahlen visualisiert das Tool die Geschäfts- und Einkaufsprozesse, wie sie im täglichen Betrieb tatsächlich gelebt werden. Process Mining sorgt dadurch auch bei sehr komplexen und unübersichtlichen Prozessen für eine einzigartige Transparenz and Analysierbarkeit. So werden tiefe Einblicke in den Ablauf, die Performance und Conformance von Prozessen ermöglicht, wodurch automatisiert Engpässe, Abweichungen und Optimierungspotentiale identifiziert werden. Die Aufbereitung realer Prozessdaten bildet die Grundlage für Unternehmen, ihre Einkaufsprozesse zielgerichtet und datengestützt zu optimieren.

Den Einkauf von Grund auf optimieren
Durch die mit Process Mining geschaffene Prozesstransparenz wird es möglich, die aufgezeigten Herausforderungen zu meistern. Die Lösung setzt dabei Machine-Learning-Algorithmen ein, um Problemursachen gezielt aufzuzeigen. Der automatisierte Soll-Ist-Abgleich erlaubt zudem den direkten Abgleich zwischen den identifizierten realen und idealen compliance-konformen Prozessabläufen – Conformance Checking durch die Macht der Daten.

Mit Process Mining erreichen Sie somit folgende Ziele:

  • Prozesstransparenz, indem Prozesse objektiv und umfassend abgebildet werden (Abb. 1)
    Schnellere Durchlaufzeiten und höherer Output durch die Analyse von Kennzahlen (Abb. 2)
  • Besseres Monitoring der Prozesskennzahlen
  • Realisierung von Skonto-Rabattierung durch Prädiktion
  • Effizientere Entscheidungen und Maßnahmen durch datenbasierte Fakten (Abb. 3)
  • Realisierung von Skonto-Rabattierung durch Prädiktion
  • Aufdeckung und Reduktion von Maverick Buying (Abb. 4)

Die datengestützte Transparenz im Einkaufsprozess ist ein effektives Werkzeug für umfassendes Einkaufs-Controlling. Durch flexibel anpassbare Dashboards und die einzigartigen Vorhersage-Funktionalitäten lassen sich Compliance- und Liquiditäts-Risiken frühzeitig erkennen und vermeiden.

Abb. 1: Objektive und umfassende Abbildung der Prozesse

 Abb. 2: Analyse von Prozess-Kennzahlen

Abb. 3: Übersichtliche Darstellung aller offenen Prozesse

Abb. 4: Aufdeckung von Maverick Buying

Artikel vom 30. November 2020