Neue Perspektiven in der Krankenhausfinanzierung

Pflege und Qualität

Mit dem Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetz (PpSG) und der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) plant das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und die Regierung Veränderungen im Bereich der Pflege bereits zeitnah umzusetzen. Auch wenn die Ausgestaltung der geplanten Regelungen noch wenig konkret oder im Detail nicht praxistauglich ist, sollten sich Krankenhäuser intensiv mit den möglichen Konsequenzen auseinandersetzen. Die Eingriffe der geplanten Regelungen in die Krankenhausfinanzierung werden erheblich sein. Die folgenden Ausführungen basieren noch auf dem Regierungsentwurf des PpSG. Relevante Änderungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren sind wahrscheinlich.

Pflegepersonaluntergrenzen
Nach dem Scheitern der Selbstverwaltungspartner werden die Pflegepersonaluntergrenzen (PPUG) in „pflegesensitiven Bereichen“ vom BMG über die PpUGV eingeführt. Zwar übernimmt das BMG damit die Entscheidung in strittigen Fragen, die Auswirkungen der Pflegepersonaluntergrenzen bleiben jedoch auch von den noch ausstehenden Vereinbarungen der Selbstverwaltungspartner zu den Nachweispflichten, Sanktionen und Maßnahmen zur Verhinderung von Verlagerungseffekten abhängig.

Werden Mitteilungspflichten nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erfüllt, sollen Vergütungsabschläge analog zur Nichteinhaltung anfallen. Insbesondere im Hinblick auf die geplanten äußerst engen Fristen für bislang noch nicht systematisch erhobene Daten, sollten Krankenhäuser darauf achten, nicht alleine schon aufgrund von vermeidbaren Verletzungen von Übermittlungspflichten am Pranger zu stehen.

Pflegepersonalquotient
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll ein Pflegepersonalquotient (PPQ) die Regelungen zu den PPUG ergänzen. Der PPQ soll nach Darstellung des BMG ein handhabbares, transparentes und schnell wirksames Instrument sein, um im gesamten Krankenhaus eine gute Pflege und die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten. Auch in Bezug auf den PPQ ist noch vieles im Unklaren. Während im Zähler Vollzeitkräfte im „Pflegedienst“ stehen, wird diesen im Nenner ein krankenhausindividueller Pflegeaufwand gegenübergestellt. Im PpSG ist geplant, dass das BMG per Rechtsverordnung eine Untergrenze festlegt, ab der Krankenhäuser eine Patientengefährdung in der pflegerischen Versorgung in Kauf nähmen. Aufgrund der Methodik der Berechnung des PPQ und vielfacher Einflussfaktoren, darf an der Validität dieses Konstruktes gezweifelt werden. Dennoch sollten sich Krankenhäuser mit dem PPQ und den daraus resultierenden Anreizen auseinandersetzen.

Wenn aufgrund des Fachkräftemangels nicht im ausreichenden Maß Personal akquiriert werden kann, können PPUG nur dann eingehalten bzw. die Untergrenze eines PPQ überschritten werden, wenn Leistungen reduziert werden. Die zum Patientenschutz gedachten Instrumente wirken dann vorrangig zur Mengensteuerung und über geeignete Veröffentlichungen zur Marktbereinigung. Der PPQ setzt in seiner derzeitigen Konzeption Anreize, die der Sachkostenabwertung im Rahmen der DRG-Kalkulation entgegenstehen. Abhängig von den unterschiedlichen Definitionen der „Pflege“ werden Anreize gesetzt werden, die einen Einfluss auf den Einsatzort und die Aufgaben von Pflegepersonal nehmen können.

Pflegebudget und Ausgliederung der Pflegekosten aus dem G-DRG-System
Zum Jahr 2020 soll nach dem Gesetzesentwurf des PpSG dann ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel stattfinden. Abhängig von einer von den Selbstverwaltungspartnern bis zum 31.01.2019 zu treffenden eindeutigen, bundeseinheitlichen Definition der „Pflege in der Patientenversorgung“ sollen die dafür anfallenden Kosten aus der DRG-Vergütung ausgegliedert werden. Ab 2020 sollen dann krankenhausindividuelle Pflegebudgets nach dem Selbstkostendeckungsprinzip verhandelt werden. Vorgesehen ist, dass die Pflegebudgets über einen noch vom InEK zu entwickelnden Pflegerlöskatalog auf die Kostenträger über eine tagesbezogene Abrechnung verteilt werden.

Krankenhäuser mit derzeit vergleichsweise hohen Pflegekosten, geringer Auslastung bei hoher Personalvorhaltung, wenig pflegeentlastendem Personal, langen Verweildauern und vielen Fehlbelegungsprüfungen dürften nach derzeitigem Stand tendenziell zu den Gewinnern der Reform gehören. In der Summe wird den Krankenhäusern durch den Wegfall des „Landesbasisfallwerthebels“ bei der Normierung des G-DRG-Systems jedoch vermutlich Geld entzogen. Die grundlegenden Anreize der DRG-Vergütung und damit die Notwendigkeit, Deckungsbeiträge über Fixkostendegression zu erwirtschaften, bleiben jedoch parallel bestehen und werden durch die verstärkte Wirkung des Fixkostendegressionsabschlags auf die verbleibenden Rest-DRGs sogar verschärft. Die Anreize für den Personaleinsatz können erst nach Festlegung der Definition der „Pflege in der Patientenversorgung“ durch die Selbstverwaltungspartner sicher bewertet werden. Es ist davon auszugehen, dass das G-DRG-System im Zuge der Ausgliederung der Pflegepersonalkosten eine Phase der Instabilität durchlaufen wird.

Pflegestellen-Förderprogramm und Pflegezuschlag
Im Gesetzesentwurf des PpSG ist vorgesehen, das Pflegestellen-Förderprogramm für das Jahr 2019 zu verlängern. 2019 sollen nun 100% (statt bislang 90%) der zusätzlichen Kosten für zusätzlich eingestelltes Pflegepersonal finanziert werden. Die Begrenzung der Förderung auf einen maximalen Anteil des Gesamtbudgets soll entfallen.

Bedeutsam könnte für viele Krankenhäuser sein, dass als Bemessungsgrundlage nicht mehr der Bestand an Pflegepersonal zum 01.01.2015, sondern der jahresdurchschnittliche Bestand im Jahr 2018 zugrunde zu legen ist. Demnach können auch die Krankenhäuser eine Förderung erhalten, die in den vergangenen Jahren Kapazitäten abgebaut und/oder Personal verloren haben.

Ob der zur Kompensation der „doppelten Degression“ eingesetzte Pflegezuschlag in Höhe von 500 Millionen Euro tatsächlich, wie im Gesetzesentwurf des PpSG vorgesehen, ab 2020 gänzlich entfallen soll, bleibt abzuwarten.

Qualitätsorientierte Versorgungssteuerung
Durch die geplanten Änderungen in der Krankenhausfinanzierung durch das PpSG, drohen die Maßnahmen der „Qualitätsoffensive“ des Krankenhausstrukturgesetzes der letzten Legislaturperiode aus dem Fokus der Krankenhäuser zu geraten. Dies wäre fatal, denn die Maßnahmen haben ein großes Potenzial, die politischen Ziele eines Strukturwandels über Kapazitätsabbau, Zentralisierung und Spezialisierung – auch im Sinne einer an gemessener Qualität orientierten Marktbereinigung – zu unterstützen. Dabei müssen nicht alleine die spezifischen Sanktionen bei Auffälligkeiten in den Messungen einzelner Qualitätssicherungsinstrumente ihre Wirkung entfalten. Nicht unterschätzt werden sollten hingegen die Effekte der Veröffentlichung und interessengeleiteter Nutzung öffentlich zugänglicher Daten der Qualitätssicherungsinstrumente. Im Hinblick auf die im Vergleich zu den MDK-Abrechnungsprüfungen engeren Fristen der MDK-Qualitätskontroll-Richtlinie besteht die Gefahr, dass allein aufgrund von Personalengpässen und schlechter Prozessorganisation im MDK-Prüfverfahren offiziell festgestellte medizinische Qualitätsdefizite resultieren. Krankenhäuser, die trotz der vielfältigen Herausforderungen für 2019 noch Kapazitäten für proaktives Handeln sehen, können versuchen, sich über den nun möglichen Abschluss von Qualitätsverträgen nach § 110a SGB V Marktanteile zu sichern.

Abb. 1: Pflegepersonaluntergrenzen nach der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV): P:P: Verhältnis Patienten zu Pflegekraft, %PHK: maximaler prozentualer Anteil Pflegehilfskräfte an der Gesamtzahl der Pflegefachkräfte; die PPUG für die Intensivmedizin gelten nur bis einschließlich 2020

Abb. 2: Berechnung des Pflegepersonalquotienten (PPQ); Stand Regierungsentwurf des PpSG: KHBV: Krankenhausbuchführungsverordnung, BWR: Bewertungsrelation, ZE: Zusatzentgelt, PPR: Pflegepersonal-Regelung

Abb. 3: Abrechnung nach Ausgliederung der Pflegepersonalkosten ab 2020

Artikel vom 7. November 2019