MDK-Reformgesetz
Aktueller Stand
Die Corona-Pandemie hat auch in der Umsetzung des MDK-Reformgesetzes ihre Spuren hinterlassen. Insbesondere wurden viele Neuregelungen und Fristen verschoben. Der folgende Beitrag setzt bewusst nur einige Schwerpunkte und beschreibt den aktuellen Stand der Umsetzung von ausgewählten Neuregelungen des MDK-Reformgesetzes.
Die folgenden Ausführungen basieren auf dem Wissensstand vom 16. September 2020. Kurzfristige Änderungen in weiteren Gesetzgebungsverfahren und Vereinbarungen der Selbstverwaltungspartner sind jederzeit möglich.
Prüfquotensystem und Aufschlagzahlungen
Um die Krankenhäuser während der Corona-Pandemie zu entlasten, wurde mit dem COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz und nachfolgend mit dem Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite die Prüfquote für 2020 pauschal auf 5% und 2021 pauschal auf 12,5% festgesetzt. Demnach wurde die Einführung des Prüfquotensystems und der Aufschlagzahlungen (s. Abb. 1) auf 2022 verschoben. Der unbestimmte Rechtsbegriff eines „begründeten Verdachts einer systematisch überhöhten Abrechnung“ wurde weiterhin nicht näher definiert.
GKV-Statistiken
Inzwischen wurden vom GKV-Spitzenverband (GKV-SV) bereits zweimal die Quartalsstatistiken (§ 275 Abs. 4 SGB V) sowie für das Jahr 2019 die Jahresstatistik (§ 17c Abs. 6 KHG) veröffentlicht. Den Quartalsstatistiken können Krankenhäuser entnehmen, wie viele Fälle einzelne Krankenkassen in den kommenden Quartalen in ihrem Krankenhaus prüfen dürfen. Zusätzlich kann den Quartalsstatistiken entnommen werden, welcher Anteil von Prüfungen nach Leistungsentscheid der Krankenkasse nicht gemindert wurde und daher mit welchen Prüfquoten und Aufschlagsquoten ein Krankenhaus möglicherweise zukünftig zu rechnen haben wird.
Dass die von den einzelnen Krankenkassen an den GKV-SV übermittelten Daten durchgängig methodisch korrekt und fehlerfrei sowie vollständig übermittelt wurden, darf bezweifelt werden. Krankenhäusern sei dringend angeraten, die veröffentlichten Daten zumindest grob zu plausibilisieren und bei Unstimmigkeiten darauf hinzuweisen. Leider können weder der GKV-SV noch das einzelne Krankenhaus die Korrektheit der übermittelten Daten exakt überprüfen. Durch die Zugrundelegung des Leistungsentscheids der einzelnen Krankenkasse statt des Ergebnisses der MDK-Begutachtung könnte nun selbst der MD(K) die Angaben nicht mehr bestätigen. Im Hinblick auf die Bedeutung der Veröffentlichung für das System der Prüfquoten und Aufschlagszahlungen ist dies sehr ungünstig.
Die Statistik des GKV-SV für das zweite Quartal 2020 deckt sich in der Gesamtbetrachtung allerdings mit den Erfahrungen aus den Vorjahren. Ca. 46 % der geprüften Schlussrechnungen werden von den Krankenkassen gekürzt. Etwas mehr als die Hälfte aller Krankenhäuser (mit 70% der Fälle) bewegt sich in dem Korridor von 40-59% ungekürzter geprüfter Schlussrechnungen (d.h. zukünftig Prüfquote von 10% bei einer Aufschlagszahlung von 25%). Bei Krankenhäusern mit höherer oder niedrigerer Kürzungsquote handelt es sich überwiegend um kleinere Krankenhäuser.
Krankenhäusern sollte bewusst sein, dass, aufgrund des durch das MDK-Reformgesetz nochmals deutlich gestiegenen Zeitverzugs zwischen Schlussrechnung, Prüfungseinleitung und Prüfungsabschluss, vermutlich die aktuell gestellten Schlussrechnungen die Prüfquote und Aufschlagsquote für die ersten Quartale 2022 bestimmen werden.
Strukturprüfungen
Auch die Einführung der Strukturprüfungen wurde verschoben. Krankenhäuser müssen nun erst ein Jahr später, bis zum 31.12.2021, das Ergebnis einer erfolgreich bestandenen Strukturprüfung an die Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen übermitteln.
In den Strukturprüfungen soll die Erfüllung der Strukturmerkmale von OPS-Kodes geprüft werden (§ 275d SGB V). Im vorläufigen OPS für 2021 wurden die zu überprüfenden Merkmale vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM, ehemals DIMDI) nun explizit ausgewiesen. Zudem erfolgte eine nähere Beschreibung der in den meisten OPS-Komplexkodes geforderten „fachärztlichen Behandlungsleitung“, die nun neben der fachlich-inhaltlichen Verantwortung für die Versorgung des Patienten auch in die Planung, Koordination und Überwachung der Leistungen und ärztlichen Tätigkeiten „am Patienten“ eingebunden sein soll. Die genauen Formulierungen im endgültigen OPS-Katalog 2021 bleiben abzuwarten. Die Gefahr, dass aus Strukturkriterien über die Prüfungen des MD(K) durch die Hintertür doch wieder Prozesskriterien werden, ist jedoch gegeben. Im Hinblick darauf, dass die fachärztliche Behandlungsleistung für viele OPS-Komplexkodes lediglich als Abgrenzungsmerkmal zu anderen Fachdisziplinen gedacht war, wäre dies problematisch. Wie der MD(K) seinen Prüfauftrag zu interpretieren hat, wird noch der Medizinische Dienst des GKV-SV (MDS) bis zum 28. Februar 2021 in einer Richtlinie festlegen. Die OPS-Komplexkodes sind notwendig für die Kalkulation und Abrechnung aufwendigerer Leistungen im Vergütungssystem. Wichtig ist die Assoziation mit höheren Kosten. OPS-Komplexkodes sind weder legitimiert noch notwendig für Zwecke der Qualitätssicherung. Für die enthaltenen Mindestanforderungen, die durchaus qualitative Aspekte adressieren, existiert in der Regel kein Nachweis eines qualitativen Zusatznutzens für die behandelten Patienten. Selbstverständlich müssen die Leistungen (z.B. Intensivmedizin, Stroke-Unit-Behandlung, Geriatrie) auch bei nicht bestandener Strukturprüfung weiterhin vom Krankenhaus im Rahmen seines Versorgungsauftrag erbracht werden. Der Gesetzgeber sieht aus gutem Grund nur einen Abrechnungsausschluss der höheren Vergütung und keinen Versorgungsauschluss vor. Die Logik dahinter ist, dass, wenn ein Krankenhaus die Mindestkriterien nicht erfüllt, es auch keine höheren Kosten hat. Nicht der Patientenschutz, sondern die Aufwandsreduktion durch die überbordenden Einzelfallprüfungen stand im Vordergrund der Gesetzgebung. Krankenhäusern sei geraten, sich gut auf die Strukturprüfungen vorzubereiten. Erfahrungen mit bisherigen Strukturprüfungen des MDK zeigen, dass viele Krankenhäuser die vom MDK geforderten Nachweise in der Prüfung nicht erbringen können. Der komplette Wegfall der Abrechnungsfähigkeit von Komplexbehandlungen für ein ganzes Budgetjahr beispielsweise in der Intensivmedizin, Stroke-Unit oder Geriatrie dürfte für viele Krankenhäuser existenzbedrohend sein.
Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV)
Wenig Fortschritt gab es bislang bei der Weiterentwicklung der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV). In einer Übergangsvereinbarung zur PrüfvV zu Beginn des Jahres wurden das im Gesetz vorgesehene Verbot der Rechnungskorrektur für Krankenhäuser (§ 17c Abs. 2a KHG) und das Verbot der Aufrechnung für Krankenkassen (§ 109 Abs. 6 SGB V) zunächst ausgesetzt. Bis zum 30. Juni 2020 hätten die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der GKV-SV in der PrüfvV eigentlich Regelungen zur einzelfallbezogenen Erörterung treffen sollen (§ 17c Abs. 2 KHG). Die Durchführung einer einzelfallbezogenen Erörterung soll wiederum Voraussetzung zur Einleitung eines Klageverfahrens werden. Einwendungen und Tatsachenvortrag in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Krankenhausabrechnung sollen im späteren gerichtlichen Verfahren nicht mehr geltend gemacht werden können, wenn sie nicht schon im Rahmen der einzelfallbezogenen Erörterung geltend gemacht wurden (§ 17c Abs. 2b KHG). Für 2020 ist vermutlich jedoch nicht mehr mit einer neuen PrüfvV zu rechnen. Mit Spannung darf daher die PrüfvV 2021 erwartet werden, in der eigentlich auch die ab dem 01.01.2021 erfolgende ausschließliche elektronische Übermittlung von Unterlagen der gesamten zwischen den Krankenhäusern und dem MD ablaufenden Vorgänge geregelt werden soll. Ebenso sollen DKG und GKV-SV bis zum 31.12.2020 gemeinsame Umsetzungshinweise zur PrüfvV veröffentlichen. Es bleibt abzuwarten, ob die Selbstverwaltung die an sie gestellten Anforderungen fristgerecht erfüllen kann.
Schlichtungsausschuss Bund
Der Schlichtungsausschuss Bund nach § 18 KHG, der strittige Kodier- und Abrechnungsfragen von grundsätzlicher Bedeutung verbindlich klären soll, hat seine Arbeit bereits aufgenommen. Derzeit werden allerdings nur die Dissense zwischen den Empfehlungen der Sozialmedizinischen Expertengruppe 4 (SEG) des MDK und dem Fachausschuss für ordnungsgemäße Kodierung und Abrechnung (FOKA) der Deutschen Gesellschaft für Medizincontrolling aufgelöst. Diese Arbeit soll bis Ende des Jahres abschlossen werden. Dabei werden bislang leider nur Einzelfallkonstellationen außerhalb des Kontextes der betroffenen Klassifizierungsregeln und Kodierrichtlinien durch den Schlichtungsausschuss entschieden. Die „grundsätzliche Bedeutung“ bleibt ohne Bezug auf die Klassifizierungs- und Kodierprinzipien damit verborgen oder weiterhin einer eigenen Interpretation zugänglich. Eine Geschäftsordnung des Schlichtungsausschusses Bund wurde bislang nicht veröffentlicht, ebenso wenig ist bislang ein Antrag für die zur Anrufung Berechtigten (§ 19 Abs. 3 KHG) möglich. Im Hinblick auf das System der Prüfquoten und Aufschlagszahlungen wäre eine zügige Klärung der häufigsten strittigen grundsätzlichen Kodier- und Abrechnungsfragen sehr zu begrüßen.
Katalog nach §115b SGB V
Auch die Einführung des geplanten neuen Kataloges einen Katalog ambulant durchführbarer Operationen, sonstiger stationsersetzender Eingriffe und stationsersetzender Behandlungen wurde um sieben Monate auf den 31. Januar 2022 verschoben. Auch ohne die Corona-Pandemie war der ursprüngliche Zeitplan bereits zu ambitioniert. Nun wurde zumindest schon das Verfahren zur Vergabe des Gutachtens nach §115 Abs. 1a SGB V eingeleitet, das innerhalb eines Jahres nach Auftragserteilung erstellt werden soll. Auch die Einhaltung des neuen Zeitplans stellt damit eine große Herausforderung dar.
Stärkung der Unabhängigkeit der Medizinischen Dienste
Die einheitliche Überführung der Medizinischen Dienste in eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts und damit auch die Umbenennung des MDK in den MD dürfte vermutlich im ersten Halbjahr 2021 stattfinden. Die Loslösung des MDS vom GKV-SV und die Überführung in den eigenständigen MD Bund wird hingegen erst zum 31.12.2021 endgültig abgeschlossen sein. Dies ist wichtig, da nun erst bis zum 30.06.2022 die meisten Richtlinien für die Tätigkeit der Medizinischen Dienste nach § 283 Abs. 2 SGB V (mit Ausnahme der Richtlinie zu den Strukturprüfungen) erlassen werden müssen.
Fazit
Wie in vielen anderen gesundheitspolitischen Bereichen auch, stockt die Umsetzung der üppigen Gesetzgebung in dieser Legislaturperiode auch beim MDK-Reformgesetz. Dies liegt mit, aber nicht nur, an der Corona-Pandemie. Die verzögerte Umsetzung der Neuregelungen muss dabei nicht immer zum Nachteil für die Krankenhäuser sein. Die Umsetzung zieht sich nun bis in die nächste Legislaturperiode hinein. Es bleibt abzuwarten, was von den ursprünglichen gesetzgeberischen Initiativen am Ende in der Praxis relevant wird.
Artikel vom 6. Oktober 2020