Effiziente Verweildauersteuerung – aber wie?
Die Verweildauer gehört zu den Kennzahlen im Standardreporting, die sehr häufig betrachtet werden und deren Abweichung vom InEK-Durchschnitt regelmäßig argumentiert werden muss. Welcher Controller wurde nicht schon mit der Aussage konfrontiert: „Ihre Verweildauer des gesamten Krankenhauses überschreitet den InEK- Durchschnitt um 0,5 Tage! Woran liegt das?“ Die Frage suggeriert, dass die Verweildauer gesteuert werden kann. Aber was genau? Und von wem? Typische Reaktionen darauf sind meist pauschal Verschiebungen des Problems, Globalisierungen und Drohungen, wie „Jeder Patient geht einen Tag eher nach Hause“, „Entlassung der Kurzlieger gleich am Aufnahmetag“, „Mit Ressourcen für vorstationäre Untersuchungen geht alles“, „Wir brauchen ein funktionierendes Entlassmanagement“ etc.
Dabei ist die generelle Aussage, dass die längere Verweildauer schlecht ist, problematisch.
Verweildauersteuerung – aber was genau?
Für die effektive Verweildauersteuerung ist die differenzierte Betrachtung der einzelnen Verweildauergruppen essenziell. Mit dem Steuerungsziel eines positiven Ergebniseffekts vor Augen müssen kritisch die einzelnen Verweildauergruppen analysiert werden.
Kurzlieger
Bei Kurzliegern ist ein positiver Ergebniseffekt nicht durch eine Verweildauer-
absenkung zu erreichen. Jede Verweildauerverkürzung führt in dieser Gruppe auch gleichzeitig zu einer Reduktion der Erlöse.
Dennoch kann bei den Kurzliegern ein positiver Ergebniseffekt erzielt werden. Dafür sind u.a. MDK- oder falldialogbedingte Verweildauerreduktionen zu vermeiden – sofern die Ursachen für solche Verweildauerreduktionen dokumentationsfehlerbegründet sind.
Eine Methode hierfür sind die Einzelfalldiskussionen mit den Leistungserbringern anhand plausibler MDK-Gutachten. In Vorbereitung auf die Gespräche mit dem medizinischen Personal werden Analysen erstellt, in denen die Fälle mit Dokumentationsfehlern, die Rechnungskorrekturen erzwingen, selektiert werden. Durch eine Diskussion der Ursachen, gefolgt von Aufklärung und Schulung, sollten Kürzungen vermieden werden. Es kommt zu einem positiven Ergebniseffekt – aber auch zu einer Erhöhung der durchschnittlichen Verweildauer.
In der Gruppe der Kurzlieger ist eine Verweildauerreduktion unter dem Steuerungsziel eines positiven Ergebniseffektes kontraproduktiv.
Profitlier und Costlier
Die Begrifflichkeit Profitlier/Costlier ist eine eher wirtschaftliche Nomenklatur der Fälle zwischen der unteren Grenzverweildauer und mittleren Verweildauer bzw. zwischen der mittleren Verweildauer und der oberen Grenzverweildauer. Die Berechnung der mittleren Verweildauer impliziert, dass 50% der Fälle vor und 50% der Fälle nach der mittleren Verweildauer der Grundgesamtheit entlassen wurden. Im pauschalierten Entgeltsystem wäre es somit wirtschaftlicher, mehr als 50% der Fälle vor der mittleren Verweildauer zu entlassen – also den Anteil der Profitlier zu erhöhen.
Um dies zu erreichen, hat sich das hier vorgestellte Vorgehensmodell bewährt. Basis für die Steuerung der Verweildauer ist ein detailliertes Berichtswesen mit ausgewählten Kennzahlen und Detailberichten. Aufbauend auf diesem Berichtswesen wird eine Regelkommunikation erstellt, die quartalsweise die Entwicklung der Kennzahlen darstellt und quartalsweise oder auffälligkeitsbezogen eine Diskussion der Ursachen beinhaltet.
Für die Gespräche mit den Leistungsträgern hat sich bewährt, die Darstellung der Leistungen nicht primär nach DRG zu erstellen, sondern mit den Klinischen Leistungsgruppen KLG, die die Leistungen nach medizinischen Gesichtspunkten zusammenfassen und daher für medizinisches Personal wesentlich besser verständlich sind.
Als Vorbereitung für die Gespräche werden in Detailanalysen die Fälle selektiert, bei denen mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit Ablaufprobleme vorliegen. Durch die Gespräche sollen die Ursachen diskutiert und eine Anpassung der Prozesse angestoßen werden, sodass in der Folge die Verweildauer in diesem Bereich sinkt.
Die Anpassung der Prozesse wirkt darüber hinaus auf alle Fälle derselben Behandlungsgruppe verweildauerreduzierend.Aus der Diskussion um weniger Fälle mit ablaufbedingter auffälliger Verweildauer erwächst damit eine weitreichende verweildauerreduzierende Prozessoptimierung, und das Vorgehensmodell ist damit nicht nur effektiv, sondern auch effizient.
Der Kennzahlenbericht (Abb. 2) stellt dar, wie weit eine gewünschte Kennzahl – z.B. Profitlier 65% – erreicht wurde, sowie deren zeitliche Entwicklung.
Der im Detailbericht (Abb. 3) gelb markierte Fall zeigt ein typisches Konstrukt, die Entlassung nicht aufgrund der stationären Behandlungsnotwendigkeit festzulegen, sondern eine Orientierung des Entlassungstages anhand des Wochentages.
Langlieger
Bei den Langliegern liegen u.a. komplizierende Verläufe, Ablaufprobleme oder Versorgungsprobleme vor. Komplizierende Verläufe und eine weiterhin bestehende stationäre Behandlungsnotwendigkeit bieten keinen Ansatzpunkt für eine Verweildauerreduktion – Ablaufprobleme und Versorgungsprobleme hingegen schon.
Auch bei den Langliegern – ebenso wie bei den Kurzliegern – besteht ein Vorgehensmodell in der Vermeidung von MDK- oder falldialogbedingten Verweildauerreduktionen, sofern die Ursachen für solche Verweildauerreduktionen durch Dokumentationsfehler begründet sind.
In Vorbereitung auf die Ursachengespräche werden Detailanalysen erstellt, in denen die Fälle mit Dokumentationsfehlern, die Rechnungskorrekturen erzwingen, sowie Fälle mit Versorgungsproblemen selektiert werden. In der darauffolgenden Ursachendiskussion, anhand plausibler MDK-Gutachten, soll durch Aufklärung und Schulung erreicht werden, dass eine Verbesserung der Prozessorganisation, Dokumentation und des Entlassmanagements erfolgt.
Ebenso wie bei dem Vorgehensmodell bei den Profitliern/Costliern wirken die resultierenden Prozessoptimierungen nicht nur auf die diskutierten Konstellationen, sondern auch auf die übrigen Fälle derselben Behandlungsgruppe verweildauersenkend.
Zusammenfassung
Das Modell der effizienten Verweildauersteuerung sieht vor, dass neben der Erhöhung bzw. Bewahrung von Patientenzufriedenheit, Behandlungsqualität und Mitarbeiterzufriedenheit auch ein positiver Ergebniseffekt erreicht wird. Zur Erreichung dieses Ziels hat sich bewährt, einen Anteil der Profitlier z.B. bei 65% anzustreben sowie komplizierende Verläufe genau zu analysieren.
Die Voraussetzung, um diesen Auftrag in die Praxis umsetzen zu können, ist der Einsatz einer Business Intelligence-Lösung zur Analyse und Darstellung multidimensionaler Datenräume. Die Verwendung der Klinischen Leistungsgruppen KLG bildet eine gemeinsame Sprachbasis mit den Leistungserbringern und erleichtert die Kommunikation auf Augenhöhe. Zur Diskussion mit den Leistungserbringern werden die zu diskutierenden Fälle mit dem meisten Steuerungspotenzial selektiert. Das zu erwartende Verbesserungspotenzial kann durch die Anpassung von Prozessen („Schule“, „Behandlungspfad“, Dokumentation, Entlassmanagement) sowie durch Aufklärung und Schulung gehoben werden und wirkt sich auf alle Fälle dieser Behandlungsgruppe aus. Die folgenden Maßnahmen haben sich bewährt:
- Jede Neuaufnahme wird am selben Tag von einem Facharzt visitiert
- Falldiskussion mit dem aufnehmenden Arzt (Stationsarzt)
- Festlegung von Diagnostik und Therapie (was, wann, was dann)
- Patientengespräch über den weiteren Ablauf einschließlich Aufenthaltsdauer
- Festlegung des Entlassungstermins drei Tage vorher unter Benennung der Voraussetzungen – Ziele, die bis zum Entlassungstag erreicht werden müssen
- Dokumentation der Gründe für die stationäre Behandlungsnotwendigkeit bei Aufnahme und bei Überschreitung der oberen Grenzverweildauer
Artikel vom 24. April 2018