DRG-System 2024
Neue Entwicklungen und Hybrid-DRGs
Im Rahmen der TIP DAYs in Bonn stellte Dr. Michael Rabenschlag, Abteilungsleiter Ökonomie bei der InEK GmbH, die Neuerungen im DRG-System vor, die für das Jahr 2024 zu erwarten sind. Er erläuterte dabei im Detail die Weiterentwicklung des Entgeltsystems für 2024 mittels eines gestuften Dämpfungsansatzes sowie die Etablierung von Hybrid-DRGs nach § 115f SGB V.
Weiterentwicklung Entgeltsystem für 2024
Aufgrund der Verzerrungen der Fallzahlen durch die Pandemie wurde der aG-DRG-Katalogs 2023 auf Basis eines „gestuften Dämpfungsansatzes“ entwickelt, der die kalkulatorisch bedingten Verzerrungen abmilderte. Für die Dämpfung wurde dabei die gemessene Fallzahlveränderung von 2019 vor der Pandemie und dem damals aktuellen Jahr 2021 herangezogen.
An der letztjährigen Ausgangssituation hat sich wenig geändert. Auch im Datenjahr 2022 sind immer noch Auswirkungen der Corona-Pandemie in den Kosten- und Leistungsdaten zu merken. Für das Gesamtjahr 2022 ist insgesamt nur ein leichter Fallzahlanstieg zu bemerken, mit größeren Veränderungen bei einigen DRGs. Die Fallzahlentwicklung für die nächsten Jahre bleibt weiter ungewiss.
Gestufter Dämpfungsansatz
Nach Abstimmung der Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene wird für 2024 am gestuften Dämpfungsansatz festgehalten, um die Auswirkungen der veränderten Bewertungsrelationen nach der Pandemie abzumindern. Grundsätzlich wird die Vorgehensweise aus dem Vorjahr übernommen. Die Sachkostenentwicklung wird vollständig berücksichtigt, für die Dämpfung der „Restkosten“ wird weiterhin als Basis das letzte „Vor-Corona-Jahr“ 2019 herangezogen, nun aber im Vergleich zu den aktuellen Daten aus 2022, die der Ausgangspunkt für die klassifikatorische Entwicklung der aG-DRG 2023 sind. Der gestufte Dämpfungsansatz wird analog auch für die Berechnung des Pflegeerlös-Katalogs 2024 herangezogen.
Voraussichtlich wird der gestufte Dämpfungsansatz in dieser Form das letzte Mal so umgesetzt, da der Abstand zwischen dem letzten „Vor-Corona-Jahr“ und dem aktuellen Datenjahr zu groß wird, um noch vernünftige Aussagen treffen zu können.
Auswirkungen der Sachkostenkorrektur
Unter anderem aufgrund der steigenden Inflation und der hohen Energiepreise lagen im Jahr 2022 erstmalig die Sachkosten über dem Bundesbasisfallwert, sodass es keinen Aufschlag für Sachkosten mehr gab. Hätte man die bisherige Formel weiter angewendet, hätte sich der Effekt der Sachkostenkorrektur sogar in einen Zuschlag umgekehrt. Nach Beratung der Selbstverwaltungspartner wurde festgelegt, dass für 2024 keine Sachkostenkorrektur zu erfolgen hat, sondern in diesem Jahr die Umsetzung mit 0 % durchzuführen ist. Für die gezielte Absenkung mit pauschalem Wert wurde die Absenkung um 5 % mit entsprechender Casemix-Umverteilung auf die übrigen DRGs beschlossen.
Pflegeerlös-Katalog
Die Berechnung des Pflegeerlös-Katalogs erfolgt in gewohnter Weise, abermals mit gestufter Dämpfung analog dem DRG-Fallpauschalen-Katalog. Die Normierung erfolgt durch eine eigenständige Bezugsgröße, sodass die durchschnittliche Bewertungsrelation je Verweildauertag dem Wert 1,0 entspricht (vollstationär). Die Bezugsgröße 2024 beträgt 221,03 Euro, nach 209,75 Euro im Vorjahr, was einem Anstieg der Bezugsgröße um 11,28 Euro bzw. 5,38 % entspricht.
Normierung des aG-DRG-Katalogs 2024
Nach Abschluss aller Umbauten erfolgte die Normierung in bewährter Vorgehensweise der Vorjahre, sodass sich durch die Weiterentwicklung kein Katalogeffekt einstellt. Die Normierung ist damit unabhängig vom Dämpfungsansatz. Der effektive Case-Mix für Deutschland (Datenjahr 2022) gruppiert im aG-DRG-System 2023 entspricht unter Berücksichtigung normierungsrelevanter Veränderungen in den Kalkulationsdaten dem effektiven Case-Mix für Deutschland (Datenjahr 2022) gruppiert im aG-DRG-System 2024.
Neue unbewertete Zusatzentgelte im aG-DRG-Katalog
- Rekombinanter aktivierter Faktor VII (ZE2024-219): ausschließlich bei postpartaler Blutung mit spezifischem Schwellenwert
- Gabe von CAR-T-Zellen (ZE2024-220): nur für den Mehraufwand bei der Behandlung während des stationären Aufenthalts, in dem die CAR-T-Zellen appliziert werden. Die Arzneimittelkosten der CAR-T-Zellen sind weiterhin NUB
Hybrid-DRGs nach § 115f SGB V
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erteilte dem InEK den Auftrag zur Entwicklung eines Kalkulationsmodells für die spezielle sektorengleiche Vergütung (Hybrid-DRG). Die Vergütung soll dabei unabhängig davon angewendet werden, ob die Leistung ambulant oder stationär erbracht wird. Ziel war die Etablierung von ca. 10 möglichst aufwandshomogenen Fallpauschalen ab dem 1. Januar 2024.
Die Rahmenvorgaben in § 115f SGB V legen fest, dass die Vergütung für jede Fallpauschale individuell zu kalkulieren ist und dass Schweregrad-Unterschiede durch Stufenbildung zu berücksichtigen sind. Bei erstmaliger Kalkulation sind die Vergütungsvolumina der Leistungen im ambulanten und stationären Bereich sowie entsprechende Fallzahlen zu berücksichtigen. Anteile der ambulanten und stationären Fälle sowie Kosten der ausschließlich stationären Behandlung können berücksichtigt werden.
Die zu etablierenden Hybrid-DRGs haben dabei mehrere Bedingungen zu erfüllen, wie die Verwendung der Prozeduren aus dem Startkatalog. Die Verweildauer beträgt einen Belegungstag und der PCCL muss unter 3 sein, d.h. dass der Patient keine schweren Komplikationen und/oder Komorbiditäten in Form einer höheren Erkrankungsschwere hat.
Startkatalog
Die Grundlage für die Etablierung der Hybrid-DRGs war ein vom BMG übermittelter Startkatalog mit fünf Leistungsbereichen. Er beinhaltet bestimmte Hernienoperationen, die Entfernung von Harnleitersteinen, Ovariektomien, Arthrodese der Zehengelenke sowie die Exzision eines Sinus pilonidalis.
Eine eindeutige Zuordnung einzelner OPS-Schlüssel zu DRGs existiert im aG-DRG-System jedoch nicht. In Kombination mit anderen logischen Bausteinen kann jede dieser Prozeduren in mehreren DRGs für die Eingruppierung und damit letztlich für die Vergütung relevant sein. Aufgrund der Hierarchisierung der Fallpauschalen können andere Diagnosen und Prozeduren des Falls in eine höher eingeordnete DRG führen, sodass eine bestimmte Prozedur bei der Eingruppierung letztlich nicht entscheidend ist.
Kontextfaktoren
Beim ambulanten Operieren existieren verschiedene Kontextfaktoren, die gegen die ambulante Leistungserbringung sprechen können, wie z.B. ICD- oder OPS-Kodes, die komplexere Fälle beschreiben, erhebliche Funktionseinschränkungen oder ein höherer Pflegegrad, die Notwendigkeit der Beatmung, das Alter des Patienten unter einem Jahr oder beidseitige Operationen.
Die Kontextfaktoren wurden analysiert mit dem Ergebnis, dass die ICD- oder OPS-Kodes weitgehend übernommen und vielfach spezifisch für den Leistungsbereich ergänzt wurden. Die Beatmung wurde übernommen, das Alter unter einem Jahr wurde wegen der Hierarchie nicht als regelhafte Ausnahme übernommen. Beidseitige Eingriffe im Leistungsbereich Hernien für besonders komplexe Fälle wurden als Ausnahme übernommen.
Jede der 12 Hybrid-DRGs ist definiert durch ihre indikationsspezifische Prozedurenliste, bestehend aus Kodes des Startkatalogs sowie sinnvollen Ergänzungen. Die Ausnahmen für Fallkonstellationen, welche nicht in eine Hybrid-DRG eingruppiert werden sollten, wurden erweitert. Neben einem hohen PCCL und einer längeren Verweildauer werden beatmete Fälle aus Hybrid-DRGs ausgeschlossen. Dies gilt ebenso für Patienten mit komplexen, ausschließlich stationär zu erbringenden Eingriffen.
- Kalkulationsmodell und Datenquellen
- InEK: stationäre Daten im Krankenhaus
- Daten der Datenlieferung gem. § 21 Abs. 1 KHEntgG, Datenjahr 2022
- Kostendaten der Kalkulationsstichprobe, Datenjahr 2022
- InBA: ambulante Daten nicht im Krankenhaus
- Fallbezogene Abrechnungsdaten aller Fälle der GKV für die ersten drei Quartale 2021, hochgerechnet auf das Gesamtjahr
- Leistungsbedarf ambulant gesamt ohne Sach- und Laborkosten
- Vom BMG bereitgestellt: Ambulantes Operieren im Krankenhaus
- §-115b-SGB-V-Daten mit einer der genannten Prozeduren aus dem AOP-Katalog, hochgerechnet auf alle GKV-Fälle, Datenjahr 2022
Bei der Berechnung der Gesamtvergütung der Hybrid-DRGs werden die InEK-Daten zu Sach- und Laborkosten herangezogen. Der Median zählt dabei als robuster Kostenschätzer bei Kostenausreißern. Für die übrigen Kostenbestandteile wird eine „Mischpreis“-Kalkulation angewendet.
Der Posten „Übrige Kosten ohne Pflege“ berücksichtigt gegenwärtigen sowohl stationären als auch ambulanten Leistungsbedarf. Die Gewichtung berücksichtigt den Ambulantisierungsgrad.
Auswirkungen auf aG-DRG- und Pflegeerlös-Katalog
Die Fälle in den Hybrid-DRGs werden nicht über die DRG-Fallpauschalen finanziert, sondern aus dem aG-DRG-System ausgegliedert. Aufgrund der Ausgliederung von Fällen werden auch die entsprechenden Kosten ausgegliedert. Diese Tatsache wurde bei der Normierung des aG-DRG-Systems 2024 entsprechend berücksichtigt. Die Hybrid-DRGs sind nicht im Fallpauschalen-Katalog, aber im Definitionshandbuch des aG-DRG-Systems 2024 enthalten.
Fazit und Ausblick
Mit Einführung der sektorengleichen Vergütung im Jahr 2024 erfolgt ein weiterer Schritt zur Ambulantisierung bislang stationär erbrachter Leistungen.
*1: Dr. M. Rabenschlag, InEK 2023: Neuerungen im DRG-System 2024
Abb. 1: Anzahl der Kalkulationsteilnehmer, die Daten ans InEK liefern *1
Abb. 2: Veränderungen im Fallpauschalen-Katalog für 2024 *1
Abb. 3: Auswirkungen der Sachkostenkorrektur *1
Abb. 4: Übersicht der klassifikatorischen Umbauten im aG-DRG-Katalog 2024 *1
Abb 5: Beispiel Startkatalog mit OPS-Kodes der Arthrodese der Zehengelenke *1
Abb. 6: Kalkulationsmodell für die Berechnung der Gesamtvergütung der Hybrid-DRGs *1
Abb. 7: Methodik des Kalkulationsmodells *1
Artikel vom 6. Mai 2024